Jahrbuch 2023 des Forum Analoge Fotografie (FAP)
Auszug aus dem Jahrbuch:
In meiner Arbeit geht es um die Interpretation sowohl des Portraits, des menschlichen Körpers als auch um eine Symbiose mit anderen Kulturtechniken wie dem japanischen Shibari, eine ebenfalls alte Tradition, die sich mit dem Körper und dem Geist beschäftigt. Shibari ist eine japanische Bondage-Technik, die in den 1950er Jahren entstand. Es ist auch bekannt als „Kinbaku“, was so viel bedeutet wie „festes Binden“. Historischer Ursprung sind die in den Kampfkünsten der Samurai gebräuchlichen Seiltechniken, Gegner gefangen zu nehmen oder festzusetzen. Dazu benutzt man Hanf- oder Juteseil. Der Körper wird mit Hilfe der Seile skulpturell geformt und fixiert. Eine alte Holzkamera fängt das Ergebnis ein.
Warum geht jemand her und stützt seine Arbeit auf eine über 150 Jahre alte Technik, hölzerne Kameras, silberbeschichtete Glas- und Metallplatten und langsame, komplexe Prozesse?
Nach mittlerweile über 170 Jahren fotografischer Entwicklung ist die Fototechnik immer perfekter und schneller geworden. Wir produzieren Bilder im Sekundentakt und teilen Fotos unseres Frühstückstischs sowie unser ganzes Leben mit dem Rest der Welt. Diese Geschwindigkeit und der Druck immer neue Inhalte zu posten hat fast unmerklich zu einer Oberflächlichkeit geführt, bei der die Fassade wichtiger wird als der Inhalt. Darunter leidet eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Bild und natürlich auch mit dem abgelichteten Objekt. Retuschiert und geschummelt wurde zwar schon immer aber der Begriff „Fake“ trifft mehr und mehr in vielen Bereichen auf unsere aktuelle Medienpräsenz zu.
Trotz dem „Täuschungswahn“ haben es zu allen Zeiten Fotografen geschafft, mehr aus ihrem gegenüber herauszuholen als nur den Schein, die Fassade wiederzugeben. Dazu bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit dem gegenüber, dem Porträtierten oder dem jeweiligen Thema. Genau dies kann die analoge Fotografie leisten, indem sie alle Beteiligten zwingt genauer hinzuschauen. Ohne eine Idee im Kopf kommt man selten zu guten Bildergebnissen, weil die Schnelligkeit und die sofortige Bildkontrolle mit einem Display fehlt.
Das „Nasse Kollodiumverfahren“ ist eine der ersten Techniken die die Fotografie hervorgebracht hat. Der Umgang mit ihr führt den Fotografen zurück zu diesem alten Handwerk. Man benötigt viel Geschick und braucht Zeit für eine lange Lernkurve. Die Arbeit mit diesem Verfahren hat etwas meditatives und befreit so alle Beteiligten von hektischer Schnelllebigkeit. Die Konzentration auf das Ergebnis wächst und damit auch die Qualität der Bilder. Viele der Bilder strahlen eine enorme Ruhe und Intensität aus.
Für mich ist das Portrait die Königsdisziplin in der Fotografie. Dazu gehört der Körper und der Geist. Die analoge Fotografie ist das richtige Werkzeug hierfür.